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Wissenschaftliches Netzwerk zur Reflexion komparatistischer PraktikenUndiszipliniert?!
Heute werden mehr als je zuvor Begriffe wie Pluralität, Differenz und Fragmentarisierung herangezogen, um zu beschreiben, wie Individuen Gesellschaft erfahren. Ebenso wird von der Gleichzeitigkeit von Divergenz und Konvergenz in den globalisierten europäischen Gesellschaften gesprochen. Diese Spannung zwischen dem Fremden und dem Eigenen bzw. dem Differenten und dem Konvergenten charakterisiert auch die Komparatistik, insofern sie zwischen nationalen, medialen und wissenschaftlichen Kulturen arbeitet. Daher schließen auch ihre grundlegenden methodischen Problemfelder eine soziale und ethische Dimension ein, die das projektierte Netzwerk aufarbeitet: Vergleich und Vergleichbarkeit, Übersetzung und Mehrsprachigkeit sowie Globalisierung und Weltliteratur – um nur einige komparatistische Grundbegriffe zu nennen – setzen einen konstitutiven Bezug zum Anderen voraus.
Trotz dieser Parallele sind Schnittstellen zwischen Komparatistik und Gesellschaft bislang unterentwickelt geblieben, wie bereits die Abwesenheit komparatistischer Unterrichtsstoffe in schulischen Lehrplänen zeigt (Eggers/Hammann 2018). Diese Lücke will das projektierte Netzwerk füllen, indem es Komparatistik praxeologisch denkt und somit die Dynamik der praxistheoretischen Wende in der Wissenschaftstheorie aufgreift. Komparatistik wird damit als „Bündel von Praktiken“ aufgefasst, die vielfach in die Gesellschaft hineinreichen, ist doch gesellschaftliches Leben ohne die vergleichende Aushandlung von Differenzen nicht zu denken. Zu fragen ist also, welches „ZusammenLebenWissen“ (Ette 2010) in komparatistischen Praktiken steckt. Kann der „comparative way of thinking“ (Saussy 2006) eine symmetrische Kommunikationssituation und eine reziproke Wertschätzung fremder Kulturen fördern?
Das Verhältnis zwischen Methode und Ethos wird von dem Netzwerk am Leitfaden der genannten Problemfelder – Vergleich, Übersetzung, Weltliteratur – wissenschaftlich analysiert. Dabei geht es um eine aktuelle (gegenwarts- und gesellschaftsbezogene) Selbstbestimmung des Fachs im deutschsprachigen Raum, aber auch um die Vernetzung komparatistisch arbeitender Literatur- und Kulturwissenschaftler*innen. Denn Komparatistik ist ein „undiszipliniertes“ Fach bzw. eben eine Praxis, die in verschiedenen Wissenschaften eingesetzt wird und vom interdisziplinären Dialog lebt. In vierteljährlichen Treffen diskutieren wir über komparatistische Praktiken und laufende Projekte. Darüber hinaus entstehen aus der Zusammenarbeit Tagungen und Workshops. Aktuelle Informationen zu den Aktivitäten des Netzwerks finden Sie auf dieser Seite oder unter komparatistik(at)uni-koeln.de.
Organisation: Joachim Harst (Köln), Alena Heinritz (Innsbruck), Melanie Rohner (Bern)
Aktuelle Veranstaltungen und CfPs
Vergangene Veranstaltungen
Tagung: Autor:innenschaft und/als Arbeit
Autor:innenschaft und/als Arbeit: Zum Verhältnis von Praktiken, Inszenierung und Infrastrukturen um 1800, 1900 und 2000
Veranstalterinnen: Dr. Alena Heinritz (Innsbruck) und Prof. Dr. Julia Nantke (Hamburg)
Universität Innsbruck, hybrid, 15.-16.09.2022
Angaben zum Programm folgen.
Tagung: Übersetzen - Vergleichen
Übersetzen – Vergleichen
Veranstalter:innen: Prof. Dr. Maria Oikonomou, Prof. Dr. Joachim Harst
Universität zu Köln, 01.-02.07.2022
Universität Thessaloniki, 02.-03.12.2022
Angaben zum Programm folgen.
Workshop – Weltentdeckung und Weltwissen
Weltentdeckung und Weltwissen:
Komparatistik in praxeologischer Perspektive
Tagung, 23.–24.11.2020
Virtuelle Veranstaltung
Um Anmeldung wird gebeten: komparatistik@uni-koeln.de
Komparatistik als wissenschaftliche Disziplin ist notorisch unterbestimmt. Weder über ihren Gegenstand, noch über ihre Methode herrscht Einigkeit – und dies seit ihrer Institutionalisierung als akademisches Fach im 19. Jahrhundert. Wenn man das Entstehen der vergleichenden Wissenschaften mit einer „Episteme des Vergleichs” (Eggers 2016) begründet, wählt man einen strukturellen Ansatz und hebt auf das historische Verständnis des Vergleichs als objektivierende und systematisierende Methode ab. Heute ist der Vergleich als Methode hingegen – v.a. aus postkolonialistischer Perspektive – in die Kritik geraten (vgl. Felski/Friedman 2013). Zudem lässt sich Komparatistik heute nur noch schwer mit den positivistischen Ansätzen der Vergleichenden Literaturgeschichte in Einklang bringen, aus der sie hervorgegangen ist. Will man den Begriff des Vergleichs für die Komparatistik nicht gänzlich aufgeben, muss er also neu gefasst werden. Der geplante Workshop fragt daher nach den vergleichenden Praktiken, die schon vor bzw. während der Etablierung einer ‚komparatistischen’ Episteme gelebt wurden.
23.11.2020
18:00 Uhr | Walter Erhart
Die Geschichte der Weltreisen und die Last des Vergleichens. Praktiken der Globalisierung im 19. Jahrhundert.
24.11.2020
9:15 Uhr | Willkommen und Einführung
9:30 Uhr | Angus Nicholls
The Comparative Method in Oxford Around 1870: Max Müller, Edward Augustus Freeman, Edward Burnett Tylor
10:30 Uhr | Dorit Müller
Komparatistische Praxis auf Expeditionsreisen (Ende 18. Jhdt.): Georg Wilhelm Steller und Adelbert Chamisso
11:30 Uhr | Monika Sproll
Sehen, was sich zeigt. Chamissos "Theater der Natur"
16:00 Uhr | Reinhard Möller
Impulsvortrag zu Georg Forster
17:00 Uhr | Michael Eggers
Sammeln vs. Ordnen. Einige Gedanken zur Genese von Carl von Linnés Natursystem anhand seiner Reiseberichte